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Jägervereinigung Frankenberg e.V.

Am Samstag 07. Juli 2012 referierte Norbert Happ, ehemaliger Revierförster im Kottenforst bei Bonn, über seine langjährigen Erfahrungen mit dem Schwarzwild. Die am 11.05.2012 neu gegründete Interessengemeinschaft Schwarzwild (IGS) im Raum Medebach-Winterberg-Hallenberg-Lichtenfels sowie den daran angrenzenden Revieren - 140 Reviere/52.000 ha -, hatte Norbert Happ nach Frankenberg in die Ederberglandhalle eingeladen. Gegen 14 Uhr begrüßte Alfons Brocke den Referenten sowie ca. 85 Jäger und Landwirte recht herzlich. Brocke bedankte sich bei der Waldeckischen Jägerschaft, der Jägervereinigung Frankenberg, den Hegeringen Medebach, Winterberg-Hallenberg sowie der Hegegemeinschaft Lichtenfels für die Unterstützung und Kostenübernahme. Er umriss kurz die Ziele der IGS und übergab das Wort an Norbert Happ.

 

In seinem Vortrag trug der Referent die Entwicklung des Schwarzwildes in Deutschland und die seiner Erforschung von W. Kiessling 1925 und B. O. Oloff 1951 über u.a. L. Briedermann, H. Meynhardt, C. Stubbe bis zu K. Pohlmeyer, G. Sodeikat, D. Pfannenstiel, P. Müller und vielen anderen heutigen Forschern vor. Das real existierende Schwarzwildproblem wurde behandelt: Populationshöhe, Schadenssituation, Schweinepest und Nichterreichung des Hegeziels. Lösungen und Erfolge wurden anhand der fast vierzigjährigen Arbeit der Hochwildhegegemeinschaft Kottenforst-Süd aufgezeigt und nachgewiesen. Der zwei und eine halbe Stunde dauernde Vortrag war gegliedert in einen theoretischen Teil, einen Diateil und einen Filmteil. Letzterer zeigte Einiges aus den Begegnungen des Referenten mit „seinen“ Sauen.

 

Im Deutschen Reich kamen in den dreißiger Jahren jährlich um die 30.000 Sauen zur Strecke. Im Schnitt der letzterfassten 10 Jahren fielen in der heutigen Bundesrepublik fast eine halbe Million jährlich; die geringste Strecke lag 2006/07 bei 287.000, die höchste zunächst 2001/02 bei 532.000. Dann folgte im Jagdjahr 2008/09 der Rekord mit fast 647.000 Stücken Schwarzwild.. In den beiden folgenden Jahren fielen 440.000 und 585.000 Stück. Die Strecke des Jagdjahres 2011/12 ist noch nicht veröffentlicht, sie wird erheblich unter dem 10-Jahresschnitt liegen; im laufenden Jagdjahr kann man nach der Vollmast des vergangenen Herbstes von einem ganz hohen Zuwachs und eine entsprechenden Strecke ausgehen.

 

Zu den Schäden erläuterte Norbert Happ u.a., dass alle Aktivitäten des Wildes zunächst natürliche Lebensäußerungen sind und erst zum Schaden werden, wenn wirtschaftliche oder existenzielle Belange des Menschen betroffen sind. Er machte klar, dass die Erlegung einer einzigen Sau die Schäden drastisch steigern oder senken kann, je nach dem, welches Stück und wo man es erlegt. Auf das Modellprojekt von Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BELV), Deutschem Bauernverband (DBB) und DJV wurde verwiesen, bei dem unter Projektleitung des DJV Untersuchungen durchgeführt wurden, wie man durch Gliederung großer Maisschläge mit Zwischenfruchtanbau die Bejagung verbessern und die Schäden verringern kann. Zur Bekämpfung des Klassischen Europäischen Schweinepest bei Wildschweinen müssen die Jäger unbedingt beitragen durch unermüdliche Bemühungen vor allem um die richtige Bejagung zur Bestandesregulierung und durch kompromisslose Hygiene. Für die Bauern, die wichtigsten Partner des Jägers, ist die EPS in ihren Ställen die Katastrophe schlechthin. Schonzeitaufhebung und Bejagung der stärkeren Sauen sind absolut kontraproduktiv, da über 80 % der Virusträger und -ausscheider die Frischlinge sind, davon drei Viertel die unter 6 Monate alten. Als Hegeziel bezeichnete Norbert Happ die genügende Anzahl ausgewachsener Tiere beiderlei Geschlechts, die vor allem für den geordneten und zügigen Ablauf von Rauschen, Frischen, Raum- und Zeitnutzung wichtig sind. Die Bedeutung einer ausreichenden Anzahl von Keilern im Bestand wird allgemein unterschätzt.

 

Die Biologie der Sauen nahm einen breiten Raum im Referat von Norbert Happ ein. Schwarzwild lebt wie alle sozial orientierten Wildarten in Sozietäten, die matriarchalisch ausgerichtet sind. Die älteste führende Bache ist als Leitbache Führerin einer Rotte oder eines Familienverbandes. Ihr in schadensträchtigen Flächen schlechte Erfahrung durch den Abschuss von Frischlingen zu verschaffen, dient deutlich der Schadensminderung. Eine Bache in einem Familienverband kann nämlich, wenn sie denn 12 Jahre alt wird, etwa 150-mal den Tod eines Familienmitgliedes erleben und aus dem Geschehen entsprechende Schlüsse ziehen. Durch den Abschuss einzelner Bachen, auch von Milch unabhängigen Frischlingen, schafft man „marodierende Jugendbanden“ mit hoher Schadenstätigkeit. Die Leitbache synchronisiert die Rausche aller geschlechtsreifen weiblichen Tiere der Gruppe, wobei die weiblichen Frischlinge je nach Entwicklung in großer Zahl mit einbezogen werden. Diese Koordination war immer der Garant dafür, dass im Rottenverband die Überlebenschance der Frischlinge höher war, als die der allein frischenden Bachen. Seit einigen Jahrzehnten ist das durch bessere Lebensbedingungen so außer Kraft gesetzt, dass nachweislich in Beständen ohne stabile Rottenstrukturen die Vermehrung deutlich höher ist als in solchen mit intakten Mutterrotten, deren Zuwächse allerdings auch wesentlich höher liegen als früher. Der Grund ist die höhere Fötenzahl infolge besserer Lebensbedingungen. Während H. Meynhardt vor drei Jahrzehnten noch 2,6 Frischlinge bei Frischlingsbachen nachwies, hat sich die Zahl inzwischen verdoppelt. Die Frühreife junger Sauen bewirkt, dass um die 85 % des jährlichen Nachwuchses aus der Jungendklasse - also von Frischlingen und Überläufern - und nur etwa 15 % aus der Altersklasse stammen.

Schwarzwild ist die einzige Schalenwildart, die auf bessere Lebensbedingungen – vor allem Fraß - gnadenlos mit immer weiter ansteigendem Zuwachs reagiert.

 

Männliche Tiere werden im Überläuferalter aus der Rotte ausgestoßen, sie leben zunächst in Gruppen oder einzeln und fallen in diesem Alter oder wenig später in viel zu hoher Zahl der Kugel zum Opfer. Das verschiebt das Geschlechterverhältnis zugunsten des weiblichen Wildes, wirkt damit zuwachssteigernd und führt dazu, dass die Lebensabläufe durcheinander geraten und rund ums Jahr gefrischt wird. Von allen biologischen Grundregeln gibt es wie bei allen Lebewesen Ausnahmen, die wir akzeptieren müssen

 

Die Grundsätze der Bejagung müssen einfach sein und sich an den Beutegreifern orientieren, bei den Sauen vornehmlich am Wolf, dem für die Sau wichtigsten Praedatoren. Er jagt überwiegend junges und das wenige wirklich alt gewordene Wild, gesundes erwachsenes jagt er erst gar nicht an. Je mehr sich Schwarzwild aus der Jugend heraus vermehrt, desto mehr muss der Jäger hier eingreifen und besonders Frischlinge jeden Alters jagen, als ob er sie denn ausrotten wollte. Erwachsene Stücke fallen meist in genügender Zahl durch jagdlichen „Verschnitt“; völlige Fehlerlosigkeit ist ohnehin unmenschlich.

Die einschlägigen Bejagungsmodelle sind schlüssig, wenn sie richtig und ausreichend fleißig in Anwendung kommen. Der Eingriff kann bei redlichem Bemühen vielfach schon bei jungem Wild auf das weibliche ausgerichtet werden, beschlagene Stücke sind dabei weder ein rechtliches noch ethisches Problem. Deren Erlegung, bevor sie zu führenden Tieren werden, ist zielführend. Von einem Frischling hat man bis zum Höchstalter noch 70 bis 80 Frischlinge zu erwarten, von einer vierjährigen Bache nur noch etwa die Hälfte. Sauen brauchen Ruhe, Fraß, Deckung und fleißige Jäger mit Herz und Verstand. Beim Schwarzwild heißt: Hegen wollen, jagen müssen! Alles was sich deutlich Zuwachs steigernd auswirkt, von unsinnigen Futtereinträgen bis zu liberalen Abschussvorgaben muss vermieden werden. Die Gemeinsamkeit von Ziel und Handeln sowohl bei Einzeljagd als auch bei Bewegungsjagden ist ein wichtiger Schlüssel zu langfristigem Erfolg. Wollen und Wissen gehören unabdingbar zusammen. Die jagdliche Ethik als Forderung zu gerechtem Handeln gegenüber allen Lebewesen, mit denen der Jäger zu tun hat, unterscheidet den Geistmenschen vom Instinkttier. Die Beachtung der wichtigsten Beziehung von Tieren untereinander, vor allem dem Mutter-Kind-Verhältnis und die konsequente Nachsuche kranken Wildes sind die wichtigsten Eckpfeiler unserer Waidgerechtigkeit.

 

Norbert Happ wünschte der neu gegründeten Interessengemeinschaft viel Erfolg und trotz aller auftretenden Schwierigkeiten und Probleme Freude mit dem Schwarzwild und seiner Bejagung.